Dienstag, 25. Oktober 2011

Memo Nr. 1: Kosher Nostra


Ein Versuch die Unordnung meiner Gedanken zu reflektieren.

Auf meinem Schreibtisch in Istanbul, Kadiköy, liegen Reader, Bücher, ich habe drei Browser offen mit Links die ich lesen will. Foucault, Nietzsche, Arendt, Freud, Marx, Adorno, Horkheimer, ich habe letztens das Buch „Natural Right and History“ von Leo Strauss fertiggelesen, davor „Traditionelle und Kritische Theorie“ von Max Horkheimer. Die „Negative Dialektik“ von Adorno will ich auch endlich verstehen. Nebenbei auch diejenigen lesen, auf die ein kritisches Licht geworfen wird. Die Liste ist endlos. In meiner PDF-Sammlung findet sich noch David Landes´ „The Wealth and Poverty of Nations“ über die Wirtschaftsgeschichte der letzten 600 Jahre. Außerdem muss ich für die Universität einen 800-Seiten Reader über makroökonomische Theorie lesen – nicht nur das, sondern auch eine Analyse über die türkische Ökonomie und den Zusammenhang mit Islamic Banking schreiben. Marx und Friedman, Adorno und Foucault, Psychoanalyse und Philipps-Kurve.

Den halben Tag lese ich internationale Berichterstattung und politische Analysen. Ab und zu mal kann ich mich durchringen ein paar Worte zu verlieren. Ein paar Texte über das iranische Atomprogramm und die türkische Außenpolitik, einmal analytisch für Atlantic Community, einmal polemisch-meinungsbezogen für „The Propagandist“. Mich beschäftigt besonders das Schicksal von Maikel Nabil Sanad, einem pro-israelischen ägyptischen Blogger, der seit nunmehr 59 Tagen im Hungerstreik ist und nun in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde.

Vor meinem geistigen Auge schwirren makroökonomische Daten, Graphen, philosophische Argumente, endlos erscheinendes Textgewirr und die rauch- und alkoholdurchtränkten Erinnerungen an die zahllosen durchgefeierten Nächte in dieser pulsierenden Stadt umher. Kennt ihr das, wenn ihr so schöne Musik hört, dass die Augen anfangen zu tränen, Erinnerungen an schöne Zeiten kommen und das Herz ausgelassen tanzt? In diesem Moment durchströmt mich gerade dieses Gefühl, seit ich das Album „Kosher Nostra Jewish Gangsters Greatest Hits“ von Shantel und Oz Almog eingelegt habe.

In gerade diesem Moment, als ich das erste Lied von diesem Album angehört habe, verspürte ich den Drang etwas zu schreiben. Ich habe lange nichts mehr geschrieben für diesen Blog. Ich hab mich gefragt warum. Mir erscheint so vieles, was in letzter Zeit passiert ist, zu absurd, als das darüber Worte zu verlieren wären – es irgendwie versuchen zu rationalisieren, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Es ist wahrscheinlich so eine Phase, in der man nach der eigenen geistigen Unschuld sucht.

Mir ist gerade nicht danach, irgendwelche politischen Botschaften zu vermitteln, außer vielleicht die Forderung nach der Freiheit für Maikel Nabil Sanad! Ich glaube das Beste, was gerade irgendwie aus meinem rastlosen Tun wert ist nach außen zu teilen, ist das angesprochene Album.